Kenjo blog logo
KATEGORIEN
KATEGORIEN
Zurück zur Webseite
SPRACHEN
Kenjo blog logo
Interviews

Verbesserte Candidate Experience im Recruiting-Prozess | Gastbeitrag

Ein Gastbeitrag von Julio Braceli, CEO und Gründer der spanischen Personalagentur Growara über Candidate Experience, also der Bewerbererfahrung.

 

Wir wissen, dass ein erfolgreicher Personalbeschaffungsprozess sowohl auf Unternehmensebene als auch für Bewerber*innen und zukünftige Mitarbeitende von großer Bedeutung ist. Darum hat Kenjo ein benutzerfreundliches und einfach zu bedienendes Recruiting-Management-Tool entwickelt. Außerdem laden wir regelmäßig Experten auf diesem Gebiet ein - wie Julio Braceli, CEO und Gründer von Growara. In diesem Artikel erläutert Julio unter anderem die Methoden zur Optimierung von Einstellungsprozessen, die Verbesserung der Candidate Experience und die Auswahl der richtigen Kennzahlen zur Evaluierung. 



Verbessertes Auswahlverfahren

 

Durch die schnelle technologische Entwicklung entstand eine Diskrepanz zwischen den Angeboten von Bildungseinrichtungen und den Anforderungen von Unternehmen. Viele Unternehmen sind sich immer noch nicht darüber im Klaren, dass die Anzahl der geeigneter Fachkräfte limitiert ist - vor allem in technischen Berufen. Der Bedarf der Unternehmen wächst, doch qualifiziertes Personal ist knapp. Dieses Problem betrifft alle Bereiche der Talentgewinnung, die nicht imstande sind, sich anzupassen. 

 

Die Nachfrage nach Fachkräften übersteigt das Angebot auf dem Markt bei weitem. Ein effizienter Personalauswahlprozess ist daher genauso wichtig wie die eigentliche Personalentscheidung.

 

In der Zusammenarbeit mit Digitalunternehmen, Start-ups und Scale-ups stoßen wir bei Growara oft auf komplexe und unflexible Prozesse, die keine gute Bewerbererfahrung bieten. Paradoxerweise erleben viele Unternehmen einen starken Zuwachs in Sachen Expansion, Umsatz und Marktanteil, und halten auf der anderen Seite an traditionellen Auswahlmodellen fest, die den Prozess der Talentakquise bremsen.

 

In den vergangenen zwei Jahren haben wir mehr als 100 Tech-Unternehmen beraten und dabei einige wichtige Dinge über optimierte Auswahlprozesse gelernt. Im Folgenden teile ich die meiner Meinung nach wichtigsten. 


Kenjo bewerbermanagement software cta

 

Von Social Recruiting zu Community Hiring

 

Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, LinkedIn und viele andere dienen schon seit einigen Jahren dazu, Bewerbern die Wertvorstellungen des Unternehmens zu kommunizieren und sie so für sich zu gewinnen. Das reicht jedoch nicht aus. Wir wollen diese Vorgehensweise anpassen und Communities auf anderen Kanälen etablieren. Dabei fallen mir Twitch, Slack und Discord ein: Diese Kanäle bieten die Möglichkeit, direkt mit den Kandidaten zu interagieren, sie durch einen Mehrwert anzusprechen, Seite an Seite mit ihnen zu arbeiten, Schulungen anzubieten oder ihre persönlichen Interessen kennenzulernen, um nur einige Beispiele zu nennen. 

 

Wie man eine solche Strategie am besten umsetzt? Solange Du kein Experte in Sachen Community-Entwicklung bist, lohnt es sich, bereits bestehende Communities zu analysieren, kopieren und verbessern.

 

Warum hat zum Beispiel der spanische Frontend Entwickler und GitHub Star Miguel Ángel Durán (@Midudev) eine große Community von Entwicklern? Weil er einen direkten Mehrwert für ihre Beschäftigungsfähigkeit schafft. Zum Beispiel nutzt er seinen Twitch-Kanal mit mehr als 10.000 Followern, um Menschen kostenlos das Programmieren beizubringen. 

 

Und jetzt stell Dir vor, dass Du z.B. ein E-Commerce Unternehmen für Fahrräder betreibst und einen Twitch-Kanal aufbauen würdest, auf dem Du Dein Fachwissen teilst, Q&A Sessions veranstaltest, usw.? 

 

Falls das entsprechende Personal nicht zur Verfügung steht, empfiehlt diese Community schneller und kostengünstiger qualifizierte Mitarbeiter*innen als irgendeine LinkedIn-Werbung das je könnte?  Und noch etwas Positives: Diese Community bildet nicht nur Deinen Talentpool, sondern sie sind gleichzeitig auch Deine Kunden, und ihr Feedback kann Dein Produkt verbessern.

 

Candidate Experience Recruiting

 

 

Die Employer Value Proposition: viel mehr als eine Stellenbeschreibung

 

Es scheint geradezu unmöglich, aber noch immer denken einige Unternehmen allein aufgrund ihrer bloßen Existenz Horden von qualifizierten Menschen, anzuziehen zu können. 

 

Ausgehend von dem Fakt, dass die interessantesten Köpfe als Ressource nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen, müssen wir alles in unserer Macht stehende tun, um Stellenausschreibungen von einer "Einkaufsliste" mit 25 Anforderungen in eine Beschreibung zu verwandeln, die einer einer echten Employer Value Proposition (EVP) entspricht. Dieses Werteangebot des Arbeitgebers sollte wie ein Magnet wirken und ihnen alle benötigten Informationen geben, bevor sie mit den entsprechenden Personalmanager*innen in Kontakt treten. 

 

Dieses sogenannte Inbound Recruiting stellt die Unternehmenswerte und -kultur, die zukünftigen Herausforderungen, die Menschen im Team, die Arbeitsweise und Vorteile in den Vordergrund und weniger die Anforderungen der Stelle selbst. 

 

Ein Beispiel ist unsere Arbeit für Mercadona Tech, die verschiedene Rollen in ihrer Online-Technikabteilung auf eine ansprechende und andere Art und Weise einbinden wollen. Gegen Ende des Jahres 2020 konnte dieser bereits 2016 gestartete Geschäftsbereich das Jahr mit einem Umsatz von 176 Millionen Euro abschließen.  Von Anfang an war es ihr Ziel, sich als Branchenführer mit einem eigenen Team von qualifizierten Fachkräften zu positionieren. Um sie bei ihrer Recruitingstrategie zu unterstützen, haben wir unter anderem eine Rekrutierungsseite auf unserer Karriereseite mit angepasster Markenphilosophie und Mitarbeitervorteilen erstellt und dabei eine lockere, ansprechende Ansprache verwendet. 



Empfehlungen und ihre Bedeutung 

 

Menschen, die uns gut kennen, liegen mit ihrer Einschätzung und Empfehlung zu Büchern, Filmen und Restaurants meist richtig. Genauso verhält es sich in Unternehmen: Stille interne Botschafter arbeiten gerne für ihre Firma und sind mit Herzblut bei der Sache. Oftmals erhalten sie jedoch keinerlei Anreize, um Talente an vermitteln. 

 

Weiterempfehlungsprogramme werden nicht funktionieren, wenn das Team nur dann angesprochen wird, wenn ein dringender Bedarf besteht. Bei einem langfristigen Mitarbeiterempfehlungsprogramm müssen gewisse Faktoren berücksichtigt werden. 

 

  • Bonussysteme: Das können finanzielle Belohnungen wie bei meiner Arbeit bei Apple sein, zusätzliche Urlaubstage oder sogar ein einfaches Dankeschön von der Unternehmensleitung sein.  
  • Benutzerfreundlichkeit: Das Empfehlungsprogramm sollte so einfach wie möglich für die Mitarbeiter*innen gestaltet sein. Intuitiv, einfach und schnell. Vor nicht allzu langer Zeit haben wir für jede offene Stelle ein Videoformular erstellt, so dass jedes interne Teammitglied uns in weniger als einer Minute erklären konnte, wen es uns empfehlen würde und warum.
  • Transparenz: Sofern das Team einen Beitrag zur Personalstrategie leistet, sollten Personaler transparent arbeiten und einen angemessenen Informationsfluss garantieren. Somit haben sie jederzeit Einblick in die einzelnen Entwicklungsrunden ihrer Empfehlungen.
  • Anerkennung: Der preiswerteste und effektivste Motivations-Treibstoff überhaupt. Dabei gibt es jede Menge kreative Wege, um einen erfolgreichen Referral und Markenbotschafter zu belohnen.

 

 

Prioritäten setzen, automatisieren und richtig auswerten 

 

  • Alles ohne Mehrwert weglassen: Ähnlich wie im Marketing mit seiner Buyer Persona, erstellen wir eine Candidate Persona für unseren Bewerbungsprozess. Nach der Definition der Zielgruppe klären Personaler mit ihrem Team die folgenden Fragen:
      • Welches gewünschte Ergebnis möchte ich in der jeweiligen Phase des Prozesses erreichen?
      • Gibt es etwas, das wir ändern können, um bestimmte Schritte ganz zu eliminieren?
      • Welche Schritte führen zu Engpässen im Einstellungsprozess?
      • In welcher Phase des Rekrutierungsverfahrens brechen die meisten Bewerber*innen freiwillig ab?
  • Automatische Erledigung unwichtiger, aber notwendiger Aufgaben: Dies hilft bei der Anwendung des japanischen Konzeptes des Kaizen, das sich auf die kontinuierliche Verbesserung von Managementprozessen bezieht. Jeder sollte in der Lage sein, zwischen Nützlichem und Unnützem zu unterscheiden. 
  • Auswahl der passenden Kennzahlen: Du musst das gesamte Potenzial deines Bewerbermanagementsystems (BMS) ausschöpfen. Normalerweise eignet es sich für Schulungen und Weiterentwicklungen von Teams. Es sollten feste Abläufe definiert werden, welche Abläufe automatisiert und welche personalisiert durchgeführt werden. Frage Dich, was bewertet werden soll, indem Du das Warum und die Ausrichtung der jeweiligen Kennzahl analysierst. Vier wichtige Messgrößen sind:
      • Time to Hire: Die Berechnung der Zeit zwischen der Eingliederung eines Kandidaten*in in ein Bewerbermanagementsystem und dem Moment, in dem diese*r ein Jobangebot erhält. Dies erlaubt, die eigenen Erfolgswerte mit ähnlichen Prozessen zu vergleichen und herauszufinden, wie man Tage einsparen kann, während sich die eigene Strategie weiterentwickelt. 
      • Quality of Hire: Als eine der interessantesten Kennzahlen für die Talentakquise kann sie sehr aufschlussreich über den Prozess sein. Einige Unternehmen achten hier nur darauf, ob der Kandidat*in die Probezeit bestanden hat, während andere nach Lohnsteigerung oder indivudellen Karriereschritten gehen. Aber das ist ein Thema für einen anderen Artikel.
      • Effizienter Akquisekanal: Mit Hilfe optimierter Akquisekanäle wie Google Analytics oder Facebook-Metriken können Personaler tracken, wie die Bewerber*innen auf die Stelle aufmerksam wurden. Auch Umfragen im Bewerbermanagementsystem unterstützen dabei. Ebenso eignen sich automatisierte Fragebögen mit Typeform. Dies erlaubt einen Hinweis auf die letzte Metrik, über die ich sprechen werde: den Net Promoter Score (NPS).
      • Candidate Experience (NPS): Die Candidate Experience umfasst den gesamten Einstellungsprozess. Hierzu gehört, wie Kandidaten*innen von einem Stellenangebot erfahren, Interesse entwickeln, sich bewerben, ein Vorstellungsgespräch führen und entweder ein Angebot oder eine Absage erhalten. Der NPS hilft uns nicht nur herauszufinden, was den Prozess beschleunigt und qualitativ verbessert, sondern auch die Hauptprobleme der Bewerber*innen.

 

pillar page CTA

 

 

Talentpools aufbauen und pflegen

 

Ein tolles Bewerbererlebnis zu schaffen, ist bei Growara der wichtigste Faktor, um unsere Einstellungsprozesse zu optimieren. Du musst eine positive Beziehung zu den Bewerbern*innen aufbauen, die ihr Vertrauen in Deine Marke gesetzt haben. Das dient nicht nur dem Ansehen Deiner Marke, sondern auch dazu, neue Talente anzuziehen. Immerhin sind alle nicht eingestellten Bewerber*innen Teil Deines Talentpools.

 

Der Aufbau einer erfolgreichen Geschäftsbeziehung mit jedem Kandidaten*in, bedeutet auch gleichzeitig reduzierte Zeit bis zur Einstellung. Weil Du bereits die geeigneten Personen auf dem Schirm hast. Hier ein Beispiel:

 

Wir haben vor etwa einem Jahr jemanden für eine Managementposition eingestellt. Im Laufe des Prozesses fanden wir einen anderen potenziellen Mitarbeiter*in, der nicht alle Anforderungen für die ausgeschriebene Stelle erfüllte. Dennoch mochten wir die Kompetenzen dieser Person und waren überzeugt, dass sie für ein anstehendes Projekt perfekt geeignet wäre. Als dieser zweite Job auftauchte, kontaktierten wir den Bewerber*in und die Stelle war in weniger als zehn Tagen besetzt. Wäre unsere zweite Wahl nach dem ersten Auswahlverfahren mit einem unguten Gefühl aus dem Vorstellungsgespräch herausgekommen, hätten wir eine komplett neue Suche nach einem qualifizierten Kandidaten*in starten müssen. 

 

Im Endeffekt besteht die Arbeitgebermarke aus jedem Einzelkontakt, den Du mit Bewerbern*innen und dem aktuellen Team hast - von den ersten E-Mails bis hin zu den Kündigungsgesprächen mit Mitarbeitern*innen, die das Projekt verlassen. 

 

Eine authentische und positive Arbeitgebermarke zu etablieren, erfordert eine Menge Arbeit, aber der Aufwand ist es wert. Ein Unternehmen kann nur so großartig sein wie seine Mitarbeiter. 



Über Julio BraceliFOTO (1)

 

Julio Braceli ist CEO und Gründer von Growara, einer Personalagentur für Start-Ups und Scale-Ups. Zu seinen Hauptaufgaben gehört der Aufbau von Partnerschaften mit Führungskräften, um diese bei der Verbesserung und Umsetzung ihrer Talentakquisitionsstrategie, Führung, Mitarbeiterorganisation und -management zu unterstützen. Zuvor war Julio HR Director bei Demium Startups, einem Netzwerk europäischer Start-up-Inkubatoren. Den Großteil seiner Karriere hat er bei multinationalen Unternehmen wie Apple, Decathlon und Leroy Merlin verbracht.

New call-to-action