Es gibt ausreichend Studien, die belegen, dass Frauen im Durchschnitt weniger verdienen als Männer. Diesen Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen bezeichnet man als Gender Pay Gap oder auch Gender Wage Gap. In den letzten Jahren ist dieses geschlechterspezifische Lohngefälle in der EU zwar gesunken, allerdings nur sehr langsam, beispielsweise in Deutschland. Bis zur Gleichstellung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz ist es also noch ein langer Weg.
In diesem Artikel befassen wir uns etwas eingehender mit den Ursachen der Lohnlücke und werfen einen Blick auf die aktuelle Lage in Deutschland und Europa. Darüber hinaus teilen wir ein paar Vorschläge, wie Arbeitgeber in ihrem Unternehmen den Gender Pay Gap verhindern können.
Was ist der Gender Pay Gap?
Die Europäische Kommission bezeichnet mit Gender Pay Gap den Unterschied beim durchschnittlichen Bruttostundenlohn von Männern und von Frauen; dargestellt wird er als prozentualer Anteil am Verdienst der Männer.
Das Economic Policy Institute drückt es so aus: “Der Gender Wage Gap ist ein Maß für die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen.”
Es geht also beim Gender Pay Gap um ungleiche Bezahlung, das heißt, der Wert der von Männern und von Frauen ausgeübten Arbeit ist derselbe, aber das Gehalt für die jeweilige Position spiegelt das nicht wider.
Welches Gesetz regelt das Lohngefälle in Deutschland?
2014 veröffentlichte die Europäische Kommission den EU-Aktionsplan gegen Lohndiskriminierung mit der Aufforderung, dass die EU-Länder mit Regelungen und Gesetzen gegen jede Form von Diskriminierung auf nationaler Ebene vorgehen müssen.
Jedoch unterscheidet sich die Lage in den einzelnen europäischen Ländern sehr, ebenso wie die bereits vorhandenen nationalen Gesetze. In Deutschland beispielsweise wurde 2017 das sogenannte Entgelttransparenzgesetz eingeführt. Demnach haben Beschäftigte einen Auskunftsanspruch über die Kriterien und Verfahren der Lohnfindung und über die Höhe der Gehälter. Einfacher ausgedrückt heißt das: Beschäftigte haben das Recht zu erfahren, wie viel ihre Kollegen des jeweils anderen Geschlechts in ähnlichen Tätigkeiten verdienen. Allerdings greift das Entgelttransparenzgesetz erst bei Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern.
In Großbritannien müssen Unternehmen mit 250 und mehr Mitarbeitern ihren Gender Pay Gap melden. Belgien möchte mit Tarifverhandlungen gegen geschlechtsspezifische Verdienstunterschiede vorgehen. Laut Reuters haben allerdings 13 EU-Mitgliedstaaten bislang noch keine Maßnahmen zur Lohntransparenz getroffen.
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Gender Pay Gap-Ursachen
Die Gründe für den Gender Pay Gap sind vielschichtig und werden durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst, die oftmals eng miteinander zusammenhängen.
1. Diskriminierung am Arbeitsplatz
Frauen verdienen weniger als Männer, obwohl sie den gleichen Job ausführen und die gleiche Verantwortung tragen. Das kann auf direkte Diskriminierung zurückgeführt werden, da die Arbeit von Frauen oftmals als geringer bewertet wird.
Unternehmen könnten solche Verzerrungen durch klare Richtlinien oder Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen oder auch durch einen Gleichstellungsplan abmildern.
Wie Unternehmen ein Umfeld schaffen können, in dem Chancengerechtigkeit herrscht, Zugänge geschaffen und Ressourcen verteilt werden, liest Du in diesem Artikel: Für mehr Chancengleichheit im Arbeitsalltag
2. Hindernis für eine Work-Life-Balance
Um ihre beruflichen wie familiären Verantwortlichkeiten unter einen Hut zu bringen, arbeiten Frauen oft verkürzt, also weniger Stunden pro Woche. Eine Untersuchung des Europäischen Parlaments hat gezeigt, dass in Europa nur 8,7 Prozent der Männer, aber fast ein Drittel der Frauen (31,3 Prozent) in Teilzeit arbeiten.
Das bedeutet, dass die Chancen für einen Aufstieg innerhalb des Unternehmens oder für eine Gehaltserhöhung für Frauen wesentlich geringer sind. Tatsache ist leider auch, dass der Gender Pay Gap zunimmt, wenn Frauen Kinder bekommen und ihre Arbeitszeit dementsprechend verkürzen.
Noch immer verbringen Frauen deutlich mehr Zeit mit unbezahlter Hausarbeit und Kinderbetreuung als Männer. Einem Artikel auf Zeit Online zufolge leisten Frauen pro Tag vier Stunden und 26 Minuten unbezahlte Sorgearbeit, Männer dagegen nur eine Stunde und 48 Minuten – das ist der Durchschnitt von 41 Ländern, den eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ermittelt hat.
Ein Gutachten für den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung offenbart eine ähnliche Tendenz: In Deutschland widmen Frauen im Durchschnitt täglich 52,4 Prozent mehr Zeit der unbezahlten Care-Arbeit als Männer. Das heißt, während Männer pro Tag ungefähr zwei Stunden und 46 Minuten mit unbezahlter Sorgearbeit verbringen, sind es bei Frauen vier Stunden und 13 Minuten. Übrigens wurden bei dieser Untersuchung sämtliche Arbeiten im Haushalt und Garten, die Kinderbetreuung oder auch das ehrenamtliche Engagement herangezogen.
3. Gehaltsunterschiede in den Branchen
Männer und Frauen wählen oft unterschiedliche Berufe, sodass es eine starke Polarisierung in den einzelnen Branchen gibt. Zum Beispiel arbeiten Frauen sehr viel häufiger im Gesundheitswesen. Laut Statistischem Bundesamt waren 2018 79 Prozent der Erwerbstätigen im Gesundheitswesen Frauen.
Noch höher waren die Frauenanteile bei den Arzt- und Praxishilfen (98 Prozent) und mit jeweils 84 Prozent in den Berufen der Altenpflege, in der Haus- und Familienpflege sowie im medizinisch-technischen Bereich. Es gibt laut Europäischer Kommission (siehe oben) Hinweise darauf, dass Frauen häufiger in Branchen und Berufen arbeiten, in denen ohnehin die Gehälter niedriger sind als in den männerdominierten Branchen und Berufen.
Frauen arbeiten außerdem öfters in Teilzeit oder in Minijobs, um Beruf und Familie in Einklang zu bringen, und erreichen seltener Führungspositionen.
4. Gläserne Decke
Der Zugang zu Führungspositionen in Wirtschaft oder Politik bleibt Frauen häufiger verwehrt oder wird behindert. Man spricht hier von einer unsichtbaren Barriere, der sogenannten gläsernen Decke. Beispielsweise machen Frauen nur ein Drittel der Wissenschaftler oder Ingenieure in Europa aus. Und selbst in den stärker von Frauen dominierten Branchen finden sich nur wenige Frauen in Führungspositionen.
In den Vorständen deutscher Unternehmen sind Frauen auch nur selten vertreten. Aus einer Untersuchung der deutsch-schwedischen Allbright Stiftung geht hervor, dass der Frauenanteil in den Vorständen der 30 Dax-Unternehmen lediglich bei 12,8 Prozent liegt. Bei den 160 größten an der Frankfurter Börse notierten Firmen liegt die Quote sogar bei nur zehn Prozent (Süddeutsche Zeitung).
5. Unterbewertung der Arbeit und Fähigkeiten von Frauen
Wenn sich Frauen beispielsweise bewerben, werden ihre Arbeitserfahrung und beruflichen Fähigkeiten oftmals schlechter bewertet – und das führt dazu, dass sie unter schlechteren Voraussetzungen starten oder benachteiligt werden. Zum Beispiel verdient eine Kassiererin im Supermarkt weniger als ihr männlicher Kollege im Lager.
Weibliche Reinigungskräfte verdienen weniger als ihre männlichen Kollegen im Straßenkehrdienst. Diese Liste könnte problemlos weitergeführt werden. In Deutschland verdient eine Kassiererin rund sieben Prozent weniger als ein Kassierer; eine Einzelhandelskauffrau in der Lebensmittelbranche verdient sogar im Schnitt 19,8 Prozent weniger als ihr männlicher Kollege.
Wie hoch ist der Gender Pay Gap in Deutschland?
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes war der Gender Pay Gap in Deutschland zwischen 2006 und 2015 fast durchgehend konstant. In den letzten Jahren hat sich das Lohngefälle zwischen Männer und Frauen verringert, wenn auch nur leicht. 2015 lag der Gender Pay Gap bei 22 Prozent. Im Jahr 2019 verdienten Frauen durchschnittlich 19 Prozent weniger pro Stunde als Männer. Wie der Gender Pay Gap 2020 in Deutschland ausfällt, wird sich zeigen.
Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schwankt diese Zahl in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren. Demnach steigt der Gender Pay Gap bei über 30-Jährigen. Außerdem fallen die Verdienstunterschiede in Westdeutschland und Berlin mit 20 Prozent deutlich höher aus als in Ostdeutschland mit sieben Prozent.
Quelle: DIW
Trotz verschiedener Maßnahmen der Bundesregierung, das Lohnniveau in deutschen Unternehmen zu überwachen, ist der Gender Pay Gap hierzulande immer noch besonders groß. Bis 2030 soll deshalb der Gender Pay Gap in Deutschland auf zehn Prozent gesenkt werden.
Wichtige Statistiken zum Gender Pay Gap
Wie eingangs bereits erwähnt, gibt es ausreichend Studien, die Schlussfolgerungen zu den Verdienstunterschieden zwischen Männern und Frauen in Deutschland und Europa zulassen und auch Aufschluss über die derzeitige Lage geben.
Lohnunterschied nach Branchen
Eine Statistik von Eurostat zeigt, dass in den meisten EU-Mitgliedsstaaten die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen in Finanz- und Versicherungsunternehmen höher sind. In Deutschland erhalten Frauen im Schnitt 28,1 Prozent weniger Gehalt als Männer in dieser Branche.
Interessant ist auch, dass es in einzelnen Branchen negative Gender Pay Gaps gibt, das heißt, Frauen verdienen mehr als ihre männlichen Kollegen. Zu diesen Branchen gehören die Wasserversorgung; Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen und Abfallentsorgung sowie das Baugewerbe.
Gender Pay Gap nach Alter
Ebenso steigt das geschlechtsspezifische Lohngefälle mit dem Alter. Ein Grund dafür ist, dass Frauen aufgrund von Kinderbetreuung öfters eine Karrierepause einlegen als Männer.
Das DIW bestätigt dies und belegt auch, dass der Gender Pay Gap am größten ist, wenn Frauen ihre Fünfziger erreichen. In Deutschland etwa verdient eine Frau über 50 durchschnittlich 28 Prozent weniger als ihr männlicher Kollege.
Grundsätzlich gilt also: Je jünger eine Frau ist, desto geringer ist der Gender Pay Gap. Mit dem Alter allerdings nimmt auch das Lohngefälle zwischen Mann und Frau zu, wobei ältere Frauen mit geringerer Qualifikation die Verdienstunterschiede am stärksten zu spüren bekommen.
Die Lohnlücke steigt ungefähr ab einem Alter von 30 Jahren kontinuierlich an, also dann, wenn Frauen Kinder bekommen. Außerdem übernehmen Frauen heute immer noch mehr die Kindererziehung oder die Pflege eines Angehörigen und unterbrechen dafür eine gewisse Zeit das Arbeitsleben oder reduzieren ihre Arbeitszeit.
Lohnunterschied nach Ländern
Nach Angaben der EU-Kommission verdienen in Europa Frauen durchschnittlich 14,1 Prozent weniger pro Stunde als Männer. Oder anders formuliert: Für jeden Euro, den ein Mann verdient, erhält eine Frau durchschnittlich 86 Cent. Am höchsten sei das Lohngefälle zwischen Mann und Frau mit 21,8 Prozent in Estland, gefolgt von Österreich (20,4 Prozent), Tschechien und Deutschland (jeweils 20,1 Prozent). In Luxemburg mit 1,8 Prozent und Rumänien mit 2,2 Prozent sind die Gender Pay Gaps im europäischen Vergleich aktuell am geringsten.
Allerdings bedeutet ein geringer Gender Pay Gap nicht zwangsläufig, dass es im jeweiligen Land eine Gleichstellung von Mann und Frau am Arbeitsplatz gibt. Vielmehr ist das Lohngefälle geringer in Ländern mit einer niedrigeren Beschäftigungsquote von Frauen.
Regionale Unterschiede beim Gender Pay Gap
Interessanterweise ist der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen im Osten wesentlich geringer als im Westen Deutschlands. In einigen Regionen im Osten verdienen Frauen sogar mehr als Männer, beispielsweise in Cottbus (Brandenburg), wo der Verdienst der Männer bei 2398 Euro, und bei Frauen bei 2814 Euro liegt. In Dingolfing-Landau in Bayern dagegen ein gegensätzliches Bild: Hier verdient ein Mann durchschnittlich 4.531 Euro pro Monat und eine Frau rund 2.791 Euro.
Allerdings sagt das weniger über gerechte Gehälter aus, denn es gibt verschiedene Gründe für diesen Ost-West-Unterschied: Die Löhne der Männer fallen in ostdeutschen Bundesländern beispielsweise geringer aus als in westdeutschen Bundesländern, während Frauen überall in Deutschland ähnlich viel verdienen.
Wie wird der Gender Pay Gap berechnet?
Aus Platzgründen widmen wir uns hier nur der unbereinigten Gender Pay Gap, also der Differenz zwischen den durchschnittlichen Bruttoverdiensten von Frauen und Männern. Das Statistische Bundesamt zeigt, wie der Gender Pay Gap berechnet werden kann. Darauf aufbauend haben wir hier die wichtigsten Schritte zur Ermittlung des Gender Pay Gap für ein Unternehmen zusammengefasst:
- Parameter festlegen und Daten gewinnen: Auf welche Kennzahlen liegt der Fokus im Unternehmen? Zu den wichtigsten Kennzahlen bei der Ermittlung des Gender Pay Gap gehören das Geschlecht, das Gehalt und die geleisteten Arbeitsstunden.
- Berechnung durchführen: Ermittelt werden zunächst die durchschnittlichen Bruttostundenlöhne von Frauen und Männern im Unternehmen. Dann wird die Differenz dieser Durchschnitte gebildet. Die Formel dafür lautet: (Männer - Frauen) / x 100.
- Daten interpretieren: Ein positiver Gender Pay Gap weist darauf hin, dass Arbeitnehmerinnen weniger verdienen als Arbeitnehmer. Ein negativer Gender Pay Gap spricht für das Gegenteil. Ergibt die Gleichung Null, werden Männer und Frauen bei der Bezahlung gleich behandelt.
Wer sich jetzt nicht selbst an die Berechnung machen möchte: Es gibt auch andere Methoden, um mögliche Ungleichheiten im eigenen Unternehmen schnell und einfach aufzudecken. Unser HR-Analytics-Tool bietet automatische Berichte basierend auf den vorhandenen Daten eines Unternehmens.
Mit den Berichte- und Analytics-Funktionen von Kenjo sind genaue Angaben zu Mitarbeitergehältern möglich, die wiederum nach Geschlecht oder Position im Unternehmen gefiltert werden können. Auf diese Weise kann leicht festgestellt werden, ob es einen Gender Pay Gap gibt oder nicht.
Strategien und Maßnahmen zur Verringerung des Gender Pay Gap
2017 schätzte das Weltwirtschaftsforum, dass es 217 Jahre dauern würde, um das globale Lohngefälle zwischen Männern und Frauen zu schließen. Es gibt allerdings unterschiedliche Möglichkeiten, eine Lücke im eigenen Unternehmen zu verhindern.
Gender Pay Gap regelmäßig überprüfen
Um Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen im Unternehmen auszumachen, könnte ein sogenanntes Self-Monitoring helfen. Dabei unterteilt man die Gehaltsinformationen nach dem Geschlecht. Faktoren, die dabei ebenso berücksichtigt werden können, sind unter anderem das Alter, die Dienstzeit, die Ausbildung und Qualifikation.
Ein Gleichstellungsplan mit konkreten Zielvorgaben für ein Unternehmen hilft auch, Lohnungleichgewichte zwischen Männern und Frauen zu verhindern. Die Bundesregierung hat bereits verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht, um der Lohnlücke entgegenzuwirken, zum Beispiel das oben erwähnte Entgelttransparenzgesetz.
Gehaltsbänder für unterschiedliche Berufsgruppen erstellen
Durch die Erstellung von Gehaltsbändern wird eine geschlechtsspezifische Verzerrung im Unternehmen vermieden, die bei der Festlegung von Mitarbeitergehältern durchaus auftreten kann. Mithilfe von Gehaltsbändern wird ein Mindest- und Höchstgehalt für jede Position und Ebene im Unternehmen definiert.
Leistungsbeurteilungen durchführen
Alle Unternehmen sollten die Leistung und die Ergebnisse jedes Mitarbeiters bewerten. Diese Informationen sind nützlich, wenn es beispielsweise um Gehaltserhöhungen oder Beförderungen geht, oder auch darum, die erfolgreichsten Mitarbeiter im Unternehmen herauszufiltern.
Remote-Arbeit und Homeoffice fördern
Eine der Hauptursachen für den Gender Pay Gap – das hat dieser Beitrag gezeigt – ist der Wunsch, Familie und Beruf zu vereinen. Arbeitgeber, die Remote-Arbeit und Homeoffice fördern, unterstützen Mütter und Väter dabei, sich um ihre Kinder zu kümmern, ohne dafür ihre Karriere auf Eis legen zu müssen.