Diversität und Inklusion spielen in der Personalarbeit eine immer bedeutendere Rolle. Dennoch ist es für viele Unternehmen eine große Herausforderung, beides erfolgreich in die Tat umzusetzen. Eine Strategie für mehr Vielfalt und Inklusion am Arbeitsplatz muss langfristig angelegt sein; sie braucht Zeit, Ressourcen und alle Beteiligten müssen an einem Strang ziehen.
Der Einsatz lohnt sich: Gelebte Chancengleichheit stärkt nicht nur das Unternehmen als Arbeitgeber, sondern auch jeden einzelnen Mitarbeiter. Wir haben mit der D&I-Beraterin Floria Moghimi gesprochen. Im Interview erklärt sie, wie Personaler Vielfalt und ein inklusives Miteinander in ihrem Unternehmen fördern können.
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Wie würdest Du Vielfalt und Inklusion definieren und welche Unterschiede gibt es?
Diversität sind die sichtbaren und nicht-sichtbaren Identitäten von Menschen, die wir gemeinsam haben können, uns aber auch voneinander unterscheiden. Hier geht es um das Alter, Behinderung, Sexualität, Gender, Race und ethnische Herkunft, Religion und Weltanschauung sowie soziale Herkunft. Es sind die Aspekte, die unsere Persönlichkeit ausmachen.
Inklusion bedeutet, ein Umfeld zu schaffen, in dem Menschen mit allen Identitäten gehört, gesehen und wertgeschätzt werden. Ein Umfeld, in dem Chancengerechtigkeit herrscht. Es geht darum, Zugänge zu schaffen und Ressourcen zu verteilen, damit Chancengerechtigkeit gelingen kann. In Unternehmen bedeutet das, Prozesse, Policies und Strukturen zu definieren, die ermöglichen, dass Menschen sie selbst sein können, dass sie sich sicher fühlen, dass sie teilhaben können und Lust haben, ihre Ideen einzubringen.
Das Ziel ist es, strukturelle und institutionelle Diskriminierung abzubauen, damit Individuen sich entfalten können.
Wann und wie hast Du Deine D&I-Reise begonnen?
Reise ist ein gutes Wort in dem Kontext, denn ich glaube, dass es eine lebenslange Reise ist. Für mich gibt es nicht unbedingt den einen Startpunkt, an dem ich persönlich diese Reise begonnen habe.
Als Frau of Color wurde ich in Strukturen hineingeboren, die nicht für mich gestaltet wurden. Das macht natürlich etwas mit mir! Ich habe nach dem Abitur Politik studiert, weil es mich schon immer interessiert hat, wie die Zusammenhänge in der Welt sind, welche Akteure wie handeln und wie sich soziale Bewegungen bilden. In der Gender-Vorlesung habe ich zunächst sogar geglaubt, dass mich das gar nicht betrifft, dass die Zeit schon weiter ist.
Die Arbeitswelt in verschiedenen Großkonzernen hat mich dann aber eines Besseren belehrt. Und so habe ich mich entschieden, zu gründen und mit meiner Beratung aktiv gegen Diskriminierung und für Chancengerechtigkeit zu arbeiten.
Welche Unterschiede siehst Du zwischen großen Unternehmen und KMU in Bezug auf D&I?
Der Hauptunterschied sind die finanziellen Ressourcen: Viele Großkonzerne haben D&I-Verantwortliche und einige davon sogar ganze Teams. Das ist natürlich auch nötig, aber ist im Bereich DACH und Europa, abgesehen von Großbritannien, noch eher selten.
Trotz allem sind angesichts dieser massiven Transformationsaufgabe die D&I-Abteilungen immer noch zu klein und unterfinanziert. Kleine und mittelständische Unternehmen investieren noch sehr selten in die Chancengleichheit und haben kaum Kolleg*innen, deren spezieller Job eben D&I-Arbeit ist. Dabei ist es gerade für KMU wichtig, D&I-Arbeit zu leisten, um wettbewerbsfähig sein zu können und auch in ländlichen Regionen Talente anzuziehen.
Was sind unbewusste Vorurteile und wie können wir diese überwinden, um eine bessere Arbeitsplatzkultur aufzubauen?
Unconscious Biases, was im Deutschen so viel wie “unbewusste Vorurteile” heißt, sind implizite Einstellungen auf Basis sozialer Stereotypen, die unser Verhalten beeinflussen.
Stell Dir zum Beispiel jetzt einmal eine*n Entwickler*in vor. Welche Person erscheint da spontan vor Deinem inneren Auge? In den allermeisten Fällen ist das eine weiße, cis-männliche, nicht behinderte Person, um die 30, vielleicht mit Kapuzenpulli und lockerem Style.
Wären wir nun in einem Bewerbungsprozess würde diese Person allein aufgrund ihrer Identität positiv bewertet werden. Zum einen, weil z.B. der Confirmation Bias dafür sorgt, dass wir bestehende Annahmen lieber bestätigen, als zu widerlegen. Zum anderen, weil diese Gruppe die gesamte Tech-Branche strukturell dominiert und es dadurch viel leichter ist, zu bestehen. Eine queere Schwarze Frau mit Behinderung in der Tech-Branche hat es z.B. so viel schwerer.
Das passiert leider unbewusst, wenn ich es nicht hinterfrage. Und das ist höchst problematisch, denn so reproduzieren sich diskriminierende Systeme selbst.
Auf welche Hürden bei der Umsetzung von Initiativen zur Chancengleichheit bist Du in Deutschland gestoßen?
Insgesamt haben noch zu wenig Unternehmen den Wert und die Notwendigkeit von D&I erkannt. Das wird früher oder später definitiv ein Wettbewerbsnachteil sein. Für viele Talente der Generation Y und Z ist ein D&I Programm ein wichtiges Entscheidungskriterium bei der Arbeitgeber*innenwahl.
Dann gibt es Unternehmen, in denen durchaus Initiativen zum Diversity Management stattfinden: Leider jedoch zumeist noch ohne klare Strategie und Ziele, ohne Budget und zusätzlich zu den regulären Jobs der Mitarbeiter*innen, die sich freiwillig für D&I-Arbeit aufopfern. Dass das nicht auf Dauer zum Erfolg führen kann, ist logisch.
Wie können Unternehmen in Deutschland mit diesen Hindernissen umgehen?
Unternehmen sollten lernen, dass Diversität ausgleichende Gerechtigkeit bedeutet und es in ihrer Verantwortung liegt, dagegen etwas zu tun. So haben langjährige und eingeschliffene Denkweisen und Strukturen institutionell Spuren hinterlassen.
Es ist an der Zeit, diese Systeme auch in Unternehmen aufzubrechen und genau nachzuforschen, an welchen Stellen Diskriminierung passiert. Erwiesenermaßen führt dieser Prozess zu einer positiven Veränderung für alle: Denn eine Unternehmenskultur, die Chancen für alle ermöglicht, in der alle Stimmen und Positionen gehört und wertgeschätzt werden, ein Ort, an dem sich Menschen zugehörig fühlen können, ist unheimlich wertvoll und wirkt sich unmittelbar auf den Unternehmenserfolg aus.
Welche fünf wichtigsten Tipps würdest Du Unternehmen in Deutschland und Europa geben, damit sie ihre D&I-Mission umsetzen und Worten Taten folgen lassen?
Erstens und das ist für mich die Grundvoraussetzung, dass Menschen in leitenden Funktionen wirklich willens sind, an den Machtstrukturen zu arbeiten - sowohl individuell durch Bildung über Privilegien, durch einen organisationsweiten Dialog und auch durch das Teilen von Macht.
Das bedeutet dann zweitens, Zeit in die Chancengleichheit zu investieren und ein Team aufzustellen, das eng mit dem C-Level zusammenarbeitet.
Drittens ist dazu natürlich entsprechendes Budget wichtig, um die verschiedenen strategischen Maßnahmen und Ziele zu erarbeiten.
Viertens braucht es eine gute D&I Strategie, die auf Daten und einer klaren Vision und Mission beruht - mit der nötigen Flexibilität in der Umsetzung.
Übrigens sprechen wir in unserem neusten, englischsprachigem HR-Videokurs zum Thema Lernen- und Weiterbildungsprogramm über das Thema Diversität und Inklusion.
Und fünftens ist es wichtig, Verantwortlichkeit und Verbindlichkeit zu schaffen. Es könnten z.B. D&I-Ziele an Managementgehälter gekoppelt werden oder entscheidende Management-Positionen mit Menschen mit verschiedenen marginalisierten Identitäten - Schwarze Frauen, queere Menschen, Menschen mit Behinderung, besetzt werden.
Über Floria Moghimi
Floria Moghimi ist Diversity & Inclusion Consultant und arbeitet erfolgreich mit Kund*innen aus innovativen Branchen zusammen. Zuvor hat sie in der in- und externen Kommunikation internationaler Großkonzerne (KPMG, Deutsche Post DHL) gearbeitet. Komplexes zu vereinfachen und dabei das Wesentliche zu sehen, liegt ihr besonders gut. Und weil auch Identitäten mehrdimensional und komplex sind, denkt und arbeitet sie intersektional.
Mit Workshops, Audits und Analysen unterstützt sie dabei, passende D&I Strategien zu formulieren und umzusetzen. Sie liebt es, auch im digitalen Raum präsent zu sein: mit ihrem Blog und der Leitung der größten D&I-Gruppe in Deutschland auf LinkedIn.
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