Interview mit Rafael San Román, Psychologe und Content Manager bei ifeel
Die Covid-Pandemie hat sich zweifellos auf das psychische Gleichgewicht in unserer Gesellschaft ausgewirkt. So hat unsere "Studie zum Arbeitsschutz: Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz im Jahr 2021 herausgefunden, dass mehr als die Hälfte der befragten Beschäftigten eine Verschlechterung ihres psychischen Wohlbefindens seit Beginn der Corona-Pandemie beobachten.
So gaben laut unserer Studie 53 Prozent der befragten Personalverantwortlichen und 40 Prozent der Mitarbeitenden anderer Berufszweige an, dass ihr psychisches Wohlbefinden seit Beginn der Pandemie gelitten hätte. Demgegenüber standen 31 Prozent der befragten HR-Mitarbeiter*innen, deren Unternehmen erst seit Beginn der Pandemie ein eigenes Budget für die psychologische Gesundheit bereitgestellt hätte.
In diesem Interview erklärt Rafael San Román, Psychologe, Content- und PR-Manager bei ifeel, einer Plattform zur Förderung der psychischen Gesundheit in Unternehmen, inwiefern Personalabteilungen Probleme im Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit ihrer Mitarbeiter angehen, ein positives Arbeitsumfeld schaffen und die positiven Auswirkungen einer Online-Therapie nutzen können.
Welche Bedeutung hat das Aufzeigen von Problemen im Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit und dem emotionalen Gleichgewicht im Arbeitsumfeld?
Ein Sprichwort sagt: Was nicht sichtbar ist, ist auch nicht da. Das gilt auch für die psychische Gesundheit in der Arbeitswelt: Wenn die Auswirkungen auf die Menschen und Unternehmen nicht beleuchtet werden, müssen wir uns auch keine Gedanken über die Ursachen machen oder darüber, wie wir sie verhindern oder angehen können.
Befragungen zeigen jedoch, dass mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer sich seit Beginn der Pandemie in ihrer psychischen Gesundheit beeinträchtigt fühlen, und die meisten von ihnen arbeiten in Unternehmen, die keinerlei Unterstützung für diese Probleme anbieten. Auf unternehmerischer und ethischer Ebene muss unbedingt hervorgehoben werden, dass die Arbeit das psychische Gleichgewicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beeinflusst. Dies trägt zur "Vermenschlichung" der Unternehmen bei und normalisiert die Stigmatisierung dieses sensiblen Themas.
Welche Gründe gibt es für das Herunterspielen von Problemen dieser Art?
Es gibt eine verzerrte Sichtweise, dass psychische Probleme mit "Wahnsinn" assoziiert werden, mit jemandem, der den Bezug zur Realität verliert und nicht wie ein "normaler" Mensch funktionieren kann.
Niemand möchte als "verrückt", "labil" oder "krank" abgestempelt werden, und schon gar nicht in der Arbeitswelt.
Manchmal vergessen wir, dass es sich bei psychischen Problemen nicht immer um ernsthafte Störungen handelt. Mehr Stress oder Ängste, Niedergeschlagenheit oder Langeweile können ebenfalls zu einer Verschlechterung des emotionalen Wohlbefindens der Arbeitnehmer führen. Diese Probleme mögen weniger sichtbar sein, können sich aber verschlechtern, wenn sie nicht angegangen werden.
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Wie HR-Manager*innen die psychische Gesundheit im Homeoffice fördern können
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Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz fördern - Tipps für Präventionsmaßnahmen
Durch welche Faktoren hat die psychische Gesundheit der Arbeitnehmenden seit Beginn der Pandemie gelitten?
Eine Menge. Obwohl wir über diese Konsequenzen sprechen, als wären sie eine einheitliche Sache, gibt es viele verschiedene Facetten, die sich auf die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer auswirken.
Krank zu werden, seinen Arbeitsplatz zu verlieren oder zu befürchten, ihn zu verlieren, vor allem wenn man familiäre Verpflichtungen hat, war für viele Arbeitnehmenden ein großer Stressfaktor vor dem Hintergrund einer Krise. Auch das Leben auf engem Raum im Lockdown, extreme Einsamkeit sowie das Problem der Trennung von Arbeits- und Privatleben durch schlecht organisierte Remote-Arbeit sind Faktoren, die es zu bedenken gilt.
Wie können Unternehmen für die Gesundheit und das psychische Gleichgewicht ihrer Mitarbeitenden sorgen?
Der erste Schritt besteht darin, die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden in die Unternehmenskultur einzubeziehen und dies in konkreten Strategien zu berücksichtigen. Zum Beispiel mit unternehmensspezifischen Programmen für die psychische Gesundheit, die von professionellen Psycholog*innen entwickelt werden, wie zum Beispiel die von ifeel entwickelten. Das Ganze ist ein wenig komplex, lässt sich aber letztlich mit einem sehr einfachen Grundsatz zusammenfassen: Alles, was das Leben der Arbeitnehmenden erleichtert, anstatt es unnötig zu verkomplizieren, ist ein hervorragender Ausgangspunkt.
Um zu entscheiden, wie wir Beschäftigten helfen können, müssen wir ihre Bedürfnisse kennen, und dazu müssen wir ihnen zuhören. Schließlich sind sie gute Ratgeber und die ersten, die daran interessiert sind, dass man sich um sie kümmert.
Folgende Maßnahmen können von Nutzen sein:
- Finanziell: Schlecht bezahlte Mitarbeiter werden unmotiviert, verlieren ihr persönliches Engagement und verlassen das Unternehmen.
- Emotional: Ein positives, vertrauensvolles, kooperatives und verständnisvolles Umfeld ist notwendig.
- Flexibilität: Hybridmaßnahmen, z. B. in Bezug auf das Zeitmanagement: flexible Arbeitszeiten, Anzahl der Urlaubstage. Menschen wollen ein Privatleben führen, und der größte Feind davon ist der Präsentismus aufgrund strenger Zeitkontrollen.
Was können Unternehmen tun, um ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich Beschäftigte sicher und motiviert fühlen?
Den Einfluss, den die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden auf die Geschäftszahlen hat, ernst nehmen - im Guten wie im Schlechten. Es ist wichtig zu verstehen, dass das Wohlergehen der Arbeitnehmer nicht nur das Fehlen von Problemen bedeutet (sie haben keinen Grund zur Beschwerde, niemand ist mit Depressionen krankgeschrieben, niemand zeigt Anzeichen von Müdigkeit oder psychischem Stress).
Das ist richtig und ein anzustrebendes Minimum, aber die psychische Gesundheit muss viel weiter gehen. Dazu gehört auch, dass sich Mitarbeitende wohl (nicht euphorisch, aber doch zufrieden), geschätzt, geschützt und von der Unternehmensstruktur, der sie angehören, verstanden fühlen.
Dieses Sicherheitsgefühl ist das genaue Gegenteil davon, den Arbeitsplatz als einen Bereich zu betrachten, in dem unsere Schwächen nicht berücksichtigt werden und in dem nicht verstanden wird, dass wir auch andere Aspekte unseres Lebens außerhalb der Arbeit haben, die ebenfalls unsere Zeit und Energie benötigen.
Unternehmen sollten ihren Beschäftigten zeigen, dass es sie nicht als Maschinen betrachtet, und sich bewusst sind, dass sie ihr eigenes Tempo, ihre eigenen Bedürfnisse und Besonderheiten haben und sich diesen nach Möglichkeit anpassen sollten.
Welche Vorteile bieten Betriebliche Gesundheitsprogramme am Arbeitsplatz?
Investitionen in Programme für die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz schaffen ein vertrauensvolles Umfeld und eine positive Verbindung zum Unternehmen; ein fairer Austausch zwischen beiden Seiten, der die Beschäftigten dazu ermutigt, sich über das Notwendige hinaus zu engagieren und so ihre Leistung zu verbessern.
Wie können Personalverantwortliche und Teamleitende Mitarbeitenden helfen, die sich in einer Phase der Angst, des Stresses oder der emotionalen Instabilität befindet?
Zuhören und vorurteilsfrei beobachten. Man sollte versuchen, herauszufinden, was passiert ist und klären, welche Aspekte mit der Arbeitsdynamik zu tun haben und welche mit anderen Faktoren zusammenhängen. Dazu muss man respektvoll und einfühlsam nachhaken, sich verfügbar zeigen, das Vertrauen der Mitarbeitenden in die Gefühle bestätigen, versuchen zu verstehen, wie die Situation interpretiert wird, und ihnen helfen, gemeinsam mögliche Lösungen zu finden.
Sollte es irgendeine Art von Rechtfertigung für die Gefühlslage des Mitarbeiters geben, sollten Personalleitende die Situation als einen Weckruf betrachten, insbesondere bei direkten Vorgesetzten. Man sollte darüber nachdenken, was in der Arbeitsmethodik schiefgelaufen ist (falls etwas schiefgelaufen ist) und welche Lehren aus dem Vorfall gezogen werden können, um die Teamorganisation in Zukunft zu verbessern.
Welche Vorteile bringt das Programm für die psychische Gesundheit von ifeel den Unternehmen?
Ifeel ist ein einzigartiges Programm für psychisches Wohlbefinden in Unternehmen und wurde von einem Psychologenteam entwickelt, um Unternehmen dabei zu helfen, die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden in den Mittelpunkt ihrer Entwicklungsstrategie für nachhaltige Produktivität zu stellen.
Dank dieser Zusammenarbeit können Personalverantwortliche personalisierte, datengestützte Ratschläge erhalten, wie sie die psychologischen Bedürfnisse ihrer Teams richtig handhaben und ihnen helfen können, effizienter zu arbeiten und gleichzeitig ihre psychologische Gesundheit zu stärken.
Auf der anderen Seite unterstützt das Programm Beschäftigte mit einer ganzheitlichen psychologischen Betreuung, die je nach ihren Zielen auf verschiedenen Ebenen aufgebaut ist. Dieser Service umfasst bei Bedarf auch eine Online-Psychotherapie mit einer*m darauf spezialisierten Psycholog*in.
Über Rafael San Román
Rafael San Román ist Psychologe und Content- und PR-Manager bei ifeel und beschäftigt sich dort mit Fragen der Unternehmensentwicklung. Er blickt auch auf eine lange Karriere als Therapeut zurück, der sich auf Trauerberatung, Geschlechtervielfalt und Menschen mit HIV spezialisiert hat.