Wir haben in den letzten Jahren immer öfter die Bedeutung Purpose und Sinnstiftung besprochen. Auch Kenjo steht für diese neue Arbeit der Zukunft, bei der Mitarbeitende wissen wollen, warum sie das tun, was sie tun. Sie wollen verstehen, was die Existenzberechtigung des Unternehmens und ihrer Arbeit ist und sich nicht nur auf die nächste Gehaltserhöhung freuen.
“Für die Balance zwischen Arbeit und Freizeit und die damit verbundene mentale Gesundheit ist es wichtig zu wissen, was das „Warum“ der eigenen Arbeit ist.”
Klementine Klein - Consultant bei HRpepper
Besonders die jüngere Generation, die jetzt vermehrte Anteile der Arbeitskräfte abbildet, ist sehr offen, wenn es um den Wunsch nach sinnstiftender Arbeit geht. Dies hat eine komplett neue Debatte in vielen Unternehmen angefacht, die vorher eher implizit ausgetragen wurde. Unternehmen und Führungskräfte tun sich oft schwer damit, wie sie dies greifbar machen können und das „Warum“ gut an ihre Mitarbeitenden vermitteln können.
Im Interview mit Management-Consultant Klementine Klein von HRpepper erfahren wir, wie wichtig sinnstiftende Arbeit für die mentale Verfassung von Mitarbeitenden ist und listen Tipps für eine aktive Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz auf.
Wie sieht es rechtlich in Deutschland zur mentalen Gesundheit und Arbeit aus?
In Deutschland fällt das Thema fällt unter die Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmenden und ist somit schon lange im Gesetz verankert.
Unternehmen müssen alles tun, um die Gesundheit, Sicherheit und das Wohlergehen ihrer Mitarbeitenden zu unterstützen.
Seit 2014 sind Unternehmen in Deutschland allerdings auch dazu verpflichtet, die psychischen Arbeitsbelastungen ihrer Arbeitnehmenden zu beurteilen und entsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen zu ergreifen.
Was sehen die Gefahren aus, wenn man sich nicht damit beschäftigt?
Immer wieder erlebe ich in Organisationen Bedenken, sich mit solchen „weichen Themen“ zu beschäftigen. Da sie manchmal schwer greifbar wirken, sorgen sich Führungskräfte, dass man Verbesserungen oder Ergebnisse nicht sehen wird oder diese nicht messen kann. Ich würde im Gegenzug argumentieren, dass man sich gar nicht leisten kann, sich nicht damit zu beschäftigen.
Wird das Wohlbefinden der Mitarbeitenden ignoriert und ihre Bedürfnisse nicht adressiert, distanzieren sich die Mitarbeiter*innen von dem Unternehmen:
- Als Schutzmechanismus koppeln sie sich mental von ihrer Arbeit ab,
- identifizieren sich nicht mit ihrem Unternehmen
- und tun sich schwer dabei, sich zu motivieren.
Dies ist schädlich für die Organisation, da Mitarbeitende, die mental abwesend sind, schwer zu motivieren sind und es auch meistens nicht so einfach möglich ist, sie aus diesem Status wieder herauszuholen.
Wichtig ist es, dass Unternehmen, die sich mit ihrem „Purpose“ beschäftigen, dies in Kollaboration mit ihren Mitarbeitenden tun. Denn, nur wenn sich die Mitarbeitenden auch mit dem „Purpose“ identifizieren, kann es zu den gewollten Vorteilen führen. Auch mit einem perfekt formulierten „Purpose“ Statement ist die Arbeit noch nicht getan.
Dies muss dann auch für alle im Unternehmen praktizierbar und erlebbar gemacht werden, beispielsweise durch eine Kombination von Partizipation und Kommunikation.
Wie kann eine aktive Gesundheitsförderung in Organisationen geschaffen werden?
Auch hier gibt es nicht die eine Wunderformel, dennoch können Unternehmen einen individuell passenden Weg finden. Im Fokus sollte hier die Einbindung der eigenen Mitarbeitenden stehen – man sollte das Bedürfnis direkt mithilfe von Umfragen zur Mitarbeiterzufriedenheit abfragen und so zu maßgeschneiderten Lösungen kommen.
Wichtige Punkte sind meiner Meinung nach:
- Psychische und physische Gesundheit gehört auf die strategische Agenda und in die Unternehmensziele, womit auch ein finanzielles Budget verbunden ist
- Führungskräfte sollten hier stark gefordert werden, mit gutem Beispiel voranzugehen, es als Führungsaufgabe zu verstehen und auch als Faktor in die Team- und Management-Ziele zu integrieren
- Offene Kommunikation und Thematisierung von mentaler Gesundheit, frei von Stigmatisierung der Gesellschaft
- Schaffung von Transparenz und Einführung von Kommunikationsformaten, damit sich Mitarbeitende konkret und regelmäßig über mentale Probleme austauschen können
- Fokus auf die Motivation, hierzu gehören Aspekte wie personalisierte Weiterbildungen, spürbare Wertschätzung und eine konstruktive Feedback-Kultur
- Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisation sollten bedarfsgerecht zugeschnitten sein – hybrid ist hier die Zukunft
- Prävention – Integration von Sportangeboten und psychologischen Unterstützungsmaßnahmen mithilfe von Experten beispielsweise durch digitale Angebote
Was sollte konkret gemessen werden?
Oft haben HR Abteilungen Schwierigkeiten damit, hieraus einen Business Case zu formulieren, um somit im Unternehmen Gehör zu finden. Allerdings gibt es hier messbare Faktoren, die für ein solches Business Case genutzt werden sollten, wie beispielsweise:
- Mitarbeiterzufriedenheit,
- Mitarbeiterproduktivität
- Mitarbeitermotivation
- Mitarbeiterbindung in Verbindung mit Fluktuationsraten
- Verbessertes Betriebsklima
- Reduzierte Krankheitskosten und Fehlzeiten
- sowie ein starkes Employer Branding.
Welchen Einfluss hat „Purpose“ auf die mentale Gesundheit der Mitarbeiter*innen - und umgekehrt?
Sich mit dem „Purpose“ einer Organisation zu beschäftigen, lohnt sich sowohl von der Arbeitnehmenden- als auch von der Arbeitgeberperspektive.
Von der Arbeitnehmendenperspektive bietet eine solche Auseinandersetzung mit dem Sinn einer Organisation gleichzeitig Sicherheit, Struktur und Motivation, da der Sinn und die Ziele der Organisation für Mitarbeitenden greifbarer werden. „Purpose“ verbindet die Mitarbeitenden auch miteinander, da sie gemeinsam an einem Ziel arbeiten und nicht gegeneinander, was ein großer Stressfaktor sein kann.
Auf der anderen Seite profitieren Arbeitgeber dann davon, dass sich Mitarbeitende verbundener mit dem Unternehmen fühlen und motivierter, engagierter und glücklicher arbeiten. So sind Mitarbeitende, die sich mit dem „Purpose“ ihrer Organisation identifizieren, 1,7-mal zufriedener und bleiben dreimal häufiger beim Unternehmen.
Welchen Einfluss haben Krisen auf die mentale Gesundheit?
Die aktuelle ‘Kenjo Studie zur psychischen Gesundheit’ zeigt, dass es gerade in Krisenzeiten, wie zum Beispiel im Rahmen einer globalen Pandemie, wichtig ist, sich mit der mentalen Gesundheit seiner Mitarbeitenden und dem Sinn der Arbeit auseinanderzusetzen.
Es wirkt vielleicht erst mal kontraintuitiv, sich in Krisenzeiten, in denen sich viele mit Existenzerhaltung und nicht mit Existenzberechtigung beschäftigen, Zeit und Ressourcen in solche „weichen Themen“ zu stecken. Aber die Krisen der Vergangenheit, wie beispielsweise die Wirtschaftskrise im Jahr 2008, haben gezeigt, dass gerade Unternehmen, die diese Umbruchsituation genutzt haben, um zu reflektieren, warum sie das tun, was sie tun, was von ihrem Tun nach wie vor relevant ist und auch insbesondere was ihre Mitarbeitenden in unsicheren Zeiten wie diesen brauchen, im Nachhinein gestärkt aus der Krise gegangen sind.
Die Coronapandemie hat einiges auf den Kopf gestellt. Wo wir arbeiten und wie wir kommunizieren hat sich verändert und die Grenzen zwischen Arbeit und zu Hause als Rückzugsort sind verschwommen. Viele Menschen haben um ihre Existenz gekämpft, ihre Arbeitsleben komplett neu strukturiert und viel an gewohnter Sicherheit verloren.
Jetzt befinden wir uns an einem kritischen Punkt, denn in manchen Unternehmen kehren Mitarbeitende zurück an ihre „alten“ Arbeitsplätze, während sich die Art ihrer Arbeit komplett weiterentwickelt hat.
Wie sieht es mit der mentalen Gesundheit im Homeoffice aus?
Es gibt viel Diskussion darüber, ob das Büro oder doch das Homeoffice die richtige Lösung ist und wie viele Tage man am besten wie und wo arbeiten sollte. Obwohl dies wichtige Diskussionen sind, sollten wir diese Zeit des Umbruchs auch nutzen, um darüber sprechen, wie wir die Arbeitswelt der Zukunft sinnstiftender und nachhaltiger im Sinne der mentalen Gesundheit der Mitarbeitenden gestalten können.
In der Pandemie waren wir es gewohnt, regelmäßig und sehr offen über Krankheit zu sprechen. Unser Plädoyer ist es, dies auch in der Zeit danach beizubehalten.
“Es ist jetzt ein guter Zeitpunkt, das Stigma, um psychische und physische Gesundheit am Arbeitsplatz zu reduzieren und offener miteinander in den Austausch zu gehen.“
Klementine Klein - Consultant bei HRpepper
Gleichzeitig müssen sich Unternehmen und Führungskräfte mit ihrer Verantwortung auseinandersetzen und reflektieren, welche Rolle die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden in den Unternehmenswerten und dem „Purpose“ spielt.
Vielen Dank für das spannende Interview liebe Klementine!
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Über Klementine Klein
Klementine Klein begleitet Unternehmen bei ihrer strategischen Vorbereitung auf die Zukunft. Sie ist davon überzeugt, dass kontinuierliche Veränderung notwendig für Weiterentwicklung und Erfolg ist. Deshalb möchte sie Menschen in Organisationen und Teams auf diesem spannenden Weg begleiten. Mit einem ganzheitlichen Blick unterstützt Klementine Kund*innen dabei, Strategien zu entwickeln, die auf Prozesse und Unternehmenskultur abgestimmt sind.